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Gregorianischer Choral an St. Laurentius

Das Kirchenjahr im gregorianischen Choral

Die Sonn- und Feiertage im Kirchenjahr

Taufe des Herrn

Graduale

Ein Gedächtnis der Taufe Jesu wurde erst 1955 formell als eigene liturgische Feier namentlich definiert. Es verdrängte den Okavtag von Epiphanie. Dies bedeutete primär das Auswechseln von Überschriften ohne substantielle Anderungen von Gebeten und Gesängen. Der Oktavtag von Epiphanie war in der Tagzeitenliturgie von jeher als Entfaltung eines der drei Themen des Festes, nämlich das der Offenbarung Jesu bei der Taufe im Jordan, angesehen worden Die am Hofe Karls des Großen aus dem Griechischen übersetzte Antiphonenreihe Veterem hominem renovans über die Wirkungen der Taufe war z.B. mittelalterliches Allgemeingut, jedoch nicht im Breviarium Romanum 1568 enthalten. Sie wurde 1970 wieder in ihrem ursprünglichen Kontext eingesetzt. Bei der Messe selbst wurde das Proprium der Epiphanie wiederholt. Im Zuge der Kalenderreform 1970 kam es jedoch zur Abschaffung der Epiphanie-Oktav. Um die Feier der Taufe Jesu nicht ausfallen zu lassen, wurde der frühere Sonntag in der Oktav als Fest der Taufe des Herrn neu definiert und
u. a. mit einem neuen Proprium ausgestattet, das sich jetzt auch in der Messe explizit auf die Taufe des Herrn bezieht. Das angestammte Proprium dieses Sonntags mit Introitus In excelso throno gilt seither nur für die Wochentage der jetzt neu geschaffenen ersten Woche im Jahreskreis.

[...] Das Graduale Benedictus Dominus hat auch in der Neuausrichtung dieses Sonntags seinen ursprünglichen Platz behalten und verblieb obendrein im Proprium der folgenden ersten Woche im Jahreskreis. Es ist aus dem Psalm 71/72, einem der klassischen Epiphaniepsalmen, genommen. Der Herr (in der patristisch-liturgischen Exegese: Christus) wird hier als der Gott Israels angesprochen, der schon seit Ewigkeit (nachdrücklich unterstrichen im Schlussmelisma des Chorstückes) wunderbare Taten vollbracht hat.
Er ist der, der den Frieden bringt, dies wird auch durch das ausgedehnte schwungvolle Melisma bei dem Wort „pacem" des Soloverses als Sinnspitze herausgearbeitet. Die Melodie des Chorstücks besteht über weite Strecken aus den Formeln für die Cantica der Osternacht.
Hier schafft die Musik allein einen zusätzlichen theologischen Bezug. Der kundige Hörer assoziiert im Kontext der Offenbarung Jesu durch seinen Vater sofort die Feier der Auferstehung in der Osternacht. Was in der Offenbarung des Gottessohnes am Beginn seines irdischen Weges grundgelegt wird, vollendet sich im Mysterium der drei österlichen Tage.
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 75f

Benedictus Dominus Deus Israel,
qui facit mirabilia magna solus a saeculo.

Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels,
der allein große Wunder tut von Ewigkeit an.

Vers.  1

Suscipiant montes pacem populo tuo,
et colles iustitiam.

Dann tragen die Berge Frieden für das Volk
und die Höhen Gerechtigkeit.
https://gregorien.info/chant/id/1071/0/de

Sie können diesen Choral hören:

https://www.youtube.com/watch?v=qQXy6KnrrTM (Solo mit Quadratnotation)
https://www.youtube.com/watch?v=W81rW_URkjs(Schola mit Quadratnotation)

Erscheinung des Herrn, 6. Januar

Offertorium

Im vierten und letzten Messproprium, jenem des Festes der Erscheinung des Herr (Epiphanie/Epiphanias), überwiegt, wie eingangs schon dargelegt, der Gedanke des Königtums und der allumfassenden Herrschaft des Mensch gewordenen Christus. Ihm sind alle Völker und Mächte dieser Erde dienend untertan, und alle Großen dieser Erde, hier vertreten durch die Könige von Tarschisch - nach dem Bericht des Evangelisten Matthäus Weise (wohl Sterndeuter) aus dem Orient -, entbieten ihm Gaben, Lob und Anbetung. Diese Thematik ist hier überall präsent, vom Introitus Ecce advenit über Graduale, Alleluia mit Vers und Offertorium bis hin zur Communio und findet durchweg adäquaten musikalischen Ausdruck. [...]
Mit einer besonderen musikalischen Kostbarkeit überrascht schließlich das Offertorium Reges Tharsis gleich zu Beginn: Die Endsilbe von „Tharsis" ist mit einer 7-tönigen, rhythmisch subtil differenzierten Unisono-Bewegung ausgestattet, die im klassischen Messrepertoire des Gregorianischen Chorals insgesamt sechsmal vorkommt, dabei stets einer Textaussage vorbehalten ist, die das Gefühl besonderer Fülle, Größe, Weite und Ferne oder auch das Gefühl übergroßer Freude, eines Übermaßes an Glück und Seligkeit oder restloser Hingabe und bedingungsloser Liebe vermitteln will. Hier könnte es die Vorstellung einer unsagbar fernen Welt, aus der die Sterndeuter aus dem Morgenland gekommen sind, gewesen sein, die den Komponisten zu dieser ungewöhnlichen Vertonung inspiriert hat.
Und nun noch eine Anmerkung zum Alter und zur Qualität der Messproprien von Weihnachten und Epiphanie. Angesichts der frühen Entstehungszeit der beiden Weihnachtsfeste am 25. Dezember und 6. Januar kann es nicht überraschen, dass sämtliche Propriumsteile der vier Messen dem bis auf älteste Zeit zurückgehenden Kernrepertoire des Gregorianischen Chorals angehören. Darauf weist vor allem die Tatsache hin, dass sie bereits in den frühen Texthandschriften seit dem 8. Jh. sowie - mit Ausnahme des im Codex Laon 239 verlorengegangenen Messpropriums von Epiphanie - in den ältesten Neumenhandschriften seit Beginn des 10. Jhs. belegt sind. Es handelt sich also um Gesänge aus der Hochblüte des Gregorianischen Chorals, Gesänge, in denen Wort und Ton eine perfekte Einheit auf hohem künstlerischen Niveau eingegangen sind.
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 59f

Reges Tharsis et insulae munera offerunt (offerent)
reges Arabum et Saba dona adducent.

Et adorabunt eum omnes reges terrae:
omnes gentes servient ei.


Die Könige von Tarsis und von den Inseln werden Geschenke bringen,
die Könige der Araber und Saba werden Geschenke herbeiführen.

Und anbeten werden ihn alle Könige der Erde,
alle Völker werden ihm dienen.
https://gregorien.info/chant/id/6983/0/de

Sie können den Choral hören:

https://www.youtube.com/watch?v=TgbpiCYL3Pw (Solo mit Quadratnotation)
https://www.youtube.com/watch?v=aCJU7dtkho4 (Schola mit Quadratnotation)

Fest der heiligen Familie

Introitus

Für das Fest der Heiligen Familie wurde im späten 19. Jh. ein eigenes neogregorianisches Proprium komponiert, das im Ordo Cantus Missae 1972 entfernt und durch Gesänge aus dem gregorianischen Kernrepertoire ersetzt worden ist. Von ihnen hatte der Introitus Deus in loco sancto suo seinen ursprünglichen Ort am Elften Sonntag nach Pfingsten, heute steht er auch am Siebzehnten Sonntag im Jahreskreis, bei der Brautmesse, am Beginn des bürgerlichen Jahres usw. Das Graduale Unam peti wurde für den Sechsten und Siebzehnten Sonntag nach Pfingsten, sowie für den Freitag nach dem Aschermittwoch gebraucht, auch in der heutigen Liturgie wird es mehrfach verwendet. Das Alleluia mit Vers Gaudete iusti zählte zu den Communegesängen für Heilige in der Osterzeit, sowie für alte Märtyrerfeste. Das Offertorium In te speravi hatte seinen Platz am Dienstag der ersten Fastenwoche und am 13. Sonntag nach Pfingsten, heute steht es u.a. auch am Neunzehnten Sonntag im Jahreskreis. Die Communio Fili, quid fecisti gehörte ursprünglich zum Ersten Sonntag nach Epiphanie. Dieses Herumschieben von Gesängen - eine jüngere Erscheinungsform in der Liturgiegeschichte - ist zum einem durchaus Ausdruck einer theologischen Neukonzeption liturgischer Tage (ob dies etwas Besseres bringt, ist eine andere Frage), zum anderen ist es auch dem Bemühen geschuldet, das gregorianische Kernrepertoire nahezu vollständig in die nachkonziliare liturgische Ordnung zu integrieren.
Gott ermöglicht es, dass Menschen "wie ein Herz und eine Seele" unter einem Dach wohnen können: dieses „facit unanimes" ist die auch vom Melodieverlauf angezeigte Sinnspitze des Introitus, hier bezogen auf den konkreten liturgischen Tag. Der Text des Introitus Deus in loco sancto suo aus dem 67./68. Psalm ist stark centonisiert und folgt auch nicht im zentralen Begriff „unanimes" dem Wortlaut der Vulgata. (Deutsche Psalmenübersetzungen [aus dem Hebräischen] sind mit dem vorliegenden Text nicht kompatibel.) Die eindrücklich intensive rhetorische Ausprägung des „ipse dabit virtutem" (er selbst wird Kraft verleihen) ist der Ausdruck der Erfahrung, dass Gott wirklich die Kraft seinem Volke gibt. Der Modus dieses Stückes ist nicht eindeutig definierbar, er ist äquivok, d.h., einige Quellen nennen den V., andere den VII. Modus, weil das entscheidende Intervall, das beide Modi unterscheidet, im Stück selbst fehlt.
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 64f

Deus in loco sancto suo:
Deus, qui inhabitare facit unanimes in domo:
ipse dabit virtutem et fortitudinem plebi suae.

Gott an seinem heiligen Ort!
Gott, der Einmütige wohnen lässt in seinem Haus,
er selbst wird geben Macht und Stärke seinem Volk.

Ps.  1

Exsurgat Deus, et dissipentur inimici eius:
et fugiant, qui oderunt eum a facie eius.

Gott steht auf, seine Feinde zerstieben;
die ihn hassen, fliehen vor seinem Angesicht.
https://gregorien.info/chant/id/1966/0/de

Sie können den Choral hören:

https://www.youtube.com/watch?v=f6XKSs-aQug  (Solo)
https://www.youtube.com/watch?v=x7Nw2RUzoUg  (Schola mit Quadratnotation)

Weihnachten

Introitus

Die Tagesmesse (in die) von Weihnachten weist einige Teile auf, deren Vertonungen wahrhaft festliche Atmosphäre erzeugen. Hier ist vor allem das Graduale Viderunt zu nennen, dessen schwungvolle Anfangspassagen in beiden Teilen und eine Reihe glanzvoller Höhepunkte das gesamte Stück über ein Maximum an Emphase und Ausdrucksdichte erzielen. Darüber hinaus fällt auf, mit welch groBem Nachdruck hier das an zwei Stellen auftretende Wort „salutare" (Heil) versehen ist, wodurch der Heilsbedeutung der Geburt Christi - im Sinne des „natus est nobis" (für uns geboren) bzw. ,datus est nobis" (für uns gegeben) des Introitus Lux fulgebit der Missa in aurora und des Introitus Puer natus der Missa in die von Weihnachten - der gebührende musikalische Nachdruck verliehen wird. - In anderen Teilen dieses Propriums halten sich glanzvolle Höhepunkte und zartere Tonbewegungen die Waage. So vor allem im Introitus Puer natus der Tagesmesse, wo der Quintsprung gleich zu Beginn schon den ersten festlichen Akzent setzt, dem noch zwei weitere musikalische Höhepunkte folgen, nämlich bei den textlichen Sinnspitzen „cuius imperium" (seine Herrschaft) und „magni consili Angelus" (Künder des großen Ratschlusses), im übrigen aber über weite Strecken feingliedrige Tonreperkussionen vorherrschen, die eher dazu einladen, dem Geschehen von Weihnachten in der Stille und Tiefe des Herzens nachzusinnen.
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 54

Puer natus est nobis,
et filius datus est nobis :
cuius imperium super humerum eius :
et vocabitur nomen eius, magni consilii angelus.

Ein Kind ist uns geboren,
ein Sohn ist uns geschenkt.
Auf seinen Schultern ruht die Herrschaft;
man nennt ihn: Bote des großen Rates.

Ps.  1

Cantate Domino canticum novum :
quia mirabilia fecit.

Singt dem Herrn ein neues Lied!
Denn er hat Wunderbares getan.
https://gregorien.info/chant/id/6542/0/de

Sie können diesen Choral hören:
https://www.youtube.com/watch?v=iUjo01vIBEs (Solo)
https://www.youtube.com/watch?v=vazVslEFgEM (Frauenschola)
https://www.youtube.com/watch?v=sp-fWQxbtq0 (Schola mit Quadratnotation)

 

Vierter Adventssonntag

Graduale

Das Graduale Prope est Dominus mit Text aus Ps 144/145 kündigt in seinem ersten Teil - aus neutestamentlicher Sicht - die nahe bevorstehende Ankunft des Erlösers an. Diese ist ein Heilsangebot für alle Menschen, aber sie drängt sich dem Menschen nicht auf, sondern setzt voraus, Gott in Wahrheit, aufrichtig anzurufen ("omnibus qui invocant eum in veritate"). Es kommt also auf Seiten des Menschen auf ein wahrhaftiges Eingehen auf das Heilsangebot Gottes an, was der gregorianische Komponist durch ein geradezu überbordendes Melisma bei dem Wort „veritate" unterstreicht.
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 36

Prope est Dominus omnibus invocantibus eum :
omnibus qui invocant eum in veritate.

Der Herr ist allen, die ihn anrufen, nahe,
allen, die zu ihm aufrichtig rufen.

Vers.  1

Laudem Domini loquetur os meum:
et benedicat omnis caro nomen sanctum eius.

Mein Mund verkünde das Lob des Herrn.
Alles was lebt, preise seinen heiligen Namen.
https://gregorien.info/chant/id/6481/0/de

Sie können diesen Choral hören:

https://www.youtube.com/watch?v=PpakyqyEohM (Solo mit Quadratnotation)
https://www.youtube.com/watch?v=d3qS-58M0E8  (Schola)

Dritter Adventssonntag

Introitus

Die Messe des Dritten Adventssonntags wird eröffnet durch den Introitus Gaudete in Domino semper. Nach ihm wird dieser Sonntag auch gerne „Sonntag Gaudete" genannt. Und dies zu Recht, denn besonders die Gesangstexte, aber auch einige Lesungstexte dieser Sonn-tagsmesse sind geprägt von freudiger Erwartung des bevorstehenden Ereignisses der Ankunft des Erlösers. Und ganz besonders ruft eben bereits der Introitus zu Beginn der Messe mit einem Text aus dem Philipperbrief zur Freude auf, ja zu einer Freude, die kein Ende finden soll. Dementsprechend stellt der Komponist gleich zu Beginn das Wort „semper" (immer) in das Zentrum des musikalischen Geschehens. Weitere Höhepunkte der Melodieführung finden sich bei „Dominus prope est" (der Herr ist nahe) - hier wird der Grund für den Aufruf zu immerwährender Freude genannt und entsprechend spannungsvoll in Musik umgesetzt - und bei „Nihil solliciti sitis" (um nichts macht euch Sorge), dem absoluten musikalischen Höhepunkt des Stückes, der als Konsequenz der bevorstehenden Ankunft des Erlösers die Aufforderung unterstreicht, alle übertriebenen existenziellen Ängste und Sorgen fallen zu lassen.
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 32

Gaudete in Domino semper :
iterum dico, gaudete :
modestia vestra nota sit omnibus hominibus :
Dominus prope est.
Nihil solliciti sitis :
sed in omni oratione
petitiones vestrae innotescant apud Deum.

Freut euch im Herrn allezeit,
noch einmal sage ich euch: Freut euch!
Eure Güte soll allen Menschen bekannt werden.
Der Herr ist nahe.
Um nichts sollt ihr in Sorge sein,
sondern bei jedem Gebet
sollen eure Bitten bekannt werden bei Gott.

Ps.  1

Benedixisti, Domine, terram tuam.
Einst hast du, Herr, dein Land begnadet.

Avertisti captivitatem Iacob.
Und Jakobs Unglück gewendet.
https://gregorien.info/chant/id/3483/0/de

Sie können den Choral hören:

https://www.youtube.com/watch?v=fh-s8GgB8q8 (Solo)
https://www.youtube.com/watch?v=lP_xYXju9B0  (Schola mit Quadratnotation)

Zweiter Adventssonntag

Introitus

Thema des Introitus Populus Sion des Zweiten Adventssonntags ist die bevorstehende Ankunft des Messias, zum Heil und zur Freude des Volkes Israel. Unter modalem Gesichtspunkt ist die Uberlieferung dieses Gesangs ambivalent. Obschon dem VII. Modus zugewiesen, bewegt sich der erste Satz in einigen Handschriften eher im Raum einer transponierten Protus-Melodie, genauer: mit Grundton sol, Rezitationston do und si bemolle darunter. Dies entspräche folglich der modalen Struktur eines Protus zur Quart. Andere Handschriften hingegen präsentieren in diesem ersten Satz eine Melodie, die sich in den klassischen Bahnen des VII. Modus mit Rezitationston re bewegt, nehmen aber dadurch bei der aufsteigenden Figur der Akzentsilbe „Dóminus" den „verbotenen" Ton do diesis (- cis) in Kauf.
Es ist schwer zu sagen, welche der beiden Melodiefassungen die ursprünglichere ist. Atmosphärisch unterscheiden sie sich jedenfalls beträchtlich: Während die Fassung mit Tenor do im ersten Teil des Stückes eine eher gedämpfte Stimmung vermittelt, garantiert die Fassung mit Tenor re schon von Beginn an eine dem VII. Modus eigene strahlende Atmosphäre. Vom Beginn des zweiten Satzes an, ab „et auditam faciet Dominus", treffen sich die beiden bis dahin unterschiedlichen Überlieferungen und bewegen sich fortan gemeinsam bis zum Ende des Gesangs in den bekannten modalen Strukturen des VII. Modus, sehr passend zur Strahlkraft des Textes: „Und er (der Herr) wird hören lassen die Herrlichkeit seiner Stimme, zur Freude eures Herzens"
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 28f

Populus Sion,
ecce Dominus veniet ad salvandas gentes :
et auditam faciet Dominus gloriam vocis suae,
in laetitia cordis vestri.

Du Volk auf dem (Berg) Zion,
Sieh, der Herr wird kommen, um die Völker zu retten;
und hören lässt der Herr die Herrlichkeit seiner Stimme
in der Freude eures Herzens.

Ps.  1

Qui regis Israel, intende :
qui deducis velut ovem Ioseph.

Der Du Israel weidest, höre,
der Du Josef hütest wie ein Schaf.

https://gregorien.info/chant/id/6314/0/de

Sie können diesen Choral hören:
https://www.youtube.com/watch?v=6dTkmKXE7uM  (Solo)
https://www.youtube.com/watch?v=D7uR8IpKnwM  (Schola mit Quadratnotation)

 

Erster Adventssontag

Introitus

Auf eindrucksvolle Weise setzt der Introitus Ad te levavi an, indem er aus dem tiefstmöglichen Bereich des VIII. Modus unverzüglich und auf kurzem Weg eine ganze Oktave emporsteigt. Mit dieser musikalischen Geste zu den Worten „Ad te levavi animam meam" (Zu dir erhebe ich meine Seele) ist es dem Komponisten gelungen, der Erlösungsbedürftigkeit und dem sehnsüchtigen Warten der darniederliegenden Menschheit auf das Kommen des Messias geradezu bildhaften Ausdruck zu verleihen. Dass dieses sehnsüchtige Warten nicht ins Leere läuft, dafür bürgt Gott selbst, den der Verfasser von Ps 24/25 in vertrauter Anrede seinen Gott („Deus meus") nennen und auf den er deshalb sein ganzes Vertrauen setzen darf. So erklären sich sowohl der herausragende melodische Höhepunkt des Stückes bei den Worten „Deus meus" als auch die durch filigrane Tonreperkussionen hervorgehobenen Passagen „non erubescam" (nicht erröten werde ich) und „neque irrideant me" (nie und nimmer sollen mich [meine Feinde] verlachen), aus denen hoffnungsfrohe und freudige Erregung über die Unverbrüchlichkeit der Heilszusage Gottes spricht.
aus: Johannes Bergmans Göschl: Das Kirchenjahr Im Gregorianischen Choral, EOS St. Ottilien, 2021, S. 25f

Ad te levavi animam meam:
Deus meus, in te confido,
non erubescam.

Zu dir erhob ich meine Seele.
Mein Gott, auf dich vertraue ich.
Lass mich nicht zuschanden werden.

Neque irrideant me inimici mei:
etenim universi qui te exspectant,
non confundentur.

Lass meine Feinde mich nicht verlachen!
Ja, alle, die auf dich harren,
werden nicht zuschanden.

Ps.  1

Vias tuas, Domine, demonstra mihi :
et semitas tuas edoce me.

Zeige mir, Herr, deine Wege
und lehre mich deine Pfade!
https://gregorien.info/chant/id/165/0/de

Sie können diesen Choral hören:

https://www.youtube.com/watch?v=2U3Qsv3jThk  (Solo)
https://www.youtube.com/watch?v=VC4Bg3HlMys  (Schola mit Quadratnotation)